Andi Weiss im Interview

Über das Konzept zum Album „Heimat“

Wenn man dem Singer-Songwriter, leidenschaftlichen Geschichtenerzähler und Buchautor Andi Weiss begegnet, ist er häufig mit mehreren Projekten gleichzeitig beschäftigt. Da verwundert es nicht, dass der „poetische Wirbelwind“ nicht nur eine neue CD veröffentlicht, sondern auch gleich das passende Buch dazu. Das Ganze zu einem Thema, das vielen Menschen altertümlich anmutet: "Heimat".

Über das Konzept zum Album „Heimat“
Andi Weiss
Warum trägt Dein neues Konzept die Überschrift „Heimat“?

Was sich vielleicht auf den ersten Blick altbacken anhört, keimt doch sehnsüchtig leise in unseren Herzen. Ich begegne vielen Menschen, die mir von ihrer Heimatlosigkeit erzählen. Ich denke an Menschen, die meinen Lebens- und Arbeitsweg in den letzten Jahren gekreuzt haben. Diejenigen, denen ich menschlich nahe sein durfte. Menschen denen ich, oder die mir zum Wegbegleiter wurden – manchmal nur in einer kurzen Begegnung, manchmal in einer „Reise“ über Monate und Jahre hinweg. Ich denke an die vielen, die sich, auf der Suche nach Erfüllung, große Luftschlösser bauen. Doch wenn das Fundament zu wackeln beginnt, bekommt das Lebenshaus Risse und droht einzustürzen. Manche sind ständig unterwegs und kommen dennoch nirgendwo an. Ich denke an Globetrotter, Vielflieger, Weltenbummler, Durchstarter und Karriereleiterkraxler. Erfolgreiche und ewige Glückssucher. Irgendwo teilen sie die gleiche Sehnsucht im Herzen: Nach Hause zu kommen – eine Heimat zu haben!

Was verbindest Du persönlich mit dem Begriff "Heimat"?

Als kleines Kind hatten wir in unserer Siedlung verschiedene Spielmöglichkeiten. Da gab es einmal die „Hohe Wiese“ – ein großes unbebautes Grundstück, ideal zum Hütten und Lager bauen – einfach ein Paradies für Kinder. Dann war da der „Kot-Berg“, der Gott-Sei-Dank nur so hieß. Und dann gab es auch noch den großen Sportplatz mit einem Fußballfeld und Spielgeräten. Dahinter grenzte ein kleines Wäldchen unser Spielareal von den Eisenbahngleisen ab. Die Eltern mussten nie lang nach uns Kindern suchen. Auf der einen Seite waren die Bahngleise auf der anderen Seite ein großer Kanal. Weit konnten wir also nicht kommen.

Eines Tages ging ich – ich war schon immer neugierig – hinter das besagte Wäldchen. Ich wollte etwas Neues kennen lernen. „Hohe Wiese“, „Kotberg“, „Sportplatz“ verlieren auch für ein kleines Kind irgendwann ihren Reiz und so bin ich durch das Wäldchen zu den Bahngleisen gegangen. Dort hab mich auf die Schienen gesetzt. Die Schottersteine waren tolle Bauklötze. Mit denen konnte man schöne Türmchen bauen. Ich hab da völlig unbedarft auf den Gleisen gespielt und war mir keiner Gefahr bewusst. Gott-Sei-Dank hat mich dort eine Frau auf den Bahngleisen sitzen gesehen und hat mich weggeholt. Zuerst hat sie mich ziemlich ausgeschimpft. Dann aber hat sich mich auf den Arm genommen. Ich hab natürlich kräftig geheult. Und dann sie mich gefragt, wo ich wohne. Meine Antwort war klar: „Bei meiner Mama!“ Das hat ihr auch nicht wirklich weitergeholfen. Sie hat sich dann in der Nachbarschaft durchgefragt und endlich haben wir mein Zuhause gefunden. Meine Mutter hatte mich schon überall gesucht und freute sich, mich endlich wieder in die Arme schließen  zu können.

Heimat ist also mehr als eine Straße oder ein Ort ... Christian Morgenstern sagt: „Heimat ist da, wo ich verstanden werde...“. Ich brauche Menschen die bereit sind, mich in meiner Lebensgeschichte, meinen Wünschen, meinen Sehnsüchten und in meinen Grenzen zu verstehen. Wenn das geschieht, kann ich dort Zuhause sein.

Das ist so wunderbar-herrlich „Andi Weiss“! Als Antwort auf meine Frage hast Du eine farbenfrohe Geschichte parat. Entstehen so auch Deine Lieder?

Meine Lieder entstehen nicht am Reißbrett. Meistens entstehen Lieder in Situationen, die mein Herz nicht gleich verarbeiten kann. Das können schöne aber auch traurige Momente sein. Für mich ist das Liederschreiben eine tiefe therapeutische Erfahrung. Es hilft mir manche Dinge zu „verdauen“, zu bearbeiten, zu durchdenken und dann entsteht aus den Gedanken ein Lied. Manchmal ist es dann wie ein Knoten, der aufgeht und ich kann mit manchen Fragen weiterleben, weil ich sie gestellt und bearbeitet habe - auch wenn ich vielleicht noch keine Antwort dafür gefunden habe. Meine Lieder liegen auf meinem (Lebens)-Weg und mir kommt es manchmal so vor, als müsste ich sie nur aufheben.

Warum glaubst Du, finden Menschen gerade ihre eigene Heimat mitunter langweilig?

Auf der anderen Seite des Ufers ist das Gras immer grüner! Andere haben die attraktiveren, erfolgreicheren, lustigeren, charmanteren ... (ach lassen wir das!) Partner! Ich möchte mit dem Buch und der CD einen Blickwechsel wagen! Wenn ich einmal die Frage umdrehe und nicht überlege was andere alles haben, sondern auf das blicke was ich besitze – werde ich zufriedener. Dieser Gedanke macht mich immer wieder dankbar und glücklich.

Ist Zufriedenheit eine Facette dieser „Kunst, bei sich selbst zu Hause zu sein“?

Ich glaube, der Weg nach Hause ist kein Spaziergang, eher eine Übung. In unserer Gemeinde ist der stadtbekannte Landstreicher „DJ Lothar“ Dauergast. Nicht selten wartet er nach dem Gottesdienst am Kirchenausgang und erhofft sich so ein paar Spenden. Sein Markenzeichen ist, neben seinem tief gebückten Gang, ein übervoller Einkaufswagen. In diesem transportiert er neben seinen „Überlebensutensilien“ den wirrsten Krimskrams. Neulich wollte ein Gemeindeneuling, der unseren Stammgast noch nicht kannte, den Wagen zum Wertstoffhof bringen. Er dachte, jemand hätte einfach seinen Müll stehen lassen. Da schrie ihn in DJ Lothar an, schubste ihn unsanft vom Wagen weg. Und als sich der Mann dann bei ihm entschuldigte, dass er gedacht hätte, dass das alles einfach nur Müll wäre,  lallte DJ Lothar: „Natürlich ist das alles ein Scheiß – aber es ist mein Scheiß!“. Soviel Philosophie in einem Satz hätte ich von ihm spontan nicht vermutet. Er hat damit den ganzen Inhalt meines neuen Buches in einem Satz auf den Punkt gebracht.

Mein Anliegen ist es, Menschen zu ermutigen zu ihrem Leben zu stehen. Mag Dein Leben noch so traurig und Deine Vergangenheit noch so schwierig sein, dieses Leben ist Dein Leben – also lebe und liebe es!

Erwartet uns zwischen den Buchdeckeln also ein kräftiges Ermutigungs-Paket?

Das Buch soll Menschen helfen, ihr Zuhause zu entdecken und liebzugewinnen. Der Weg zu Gott ist auch ein Weg zu mir selbst. Die Amerikaner haben den Begriff des „spiritual bypassing“, also die Gefahr auf meiner Gottessuche, meine eigene Geschichte auszublenden und somit eine spirituelle Abkürzung zu nehmen. Ich glaube darin liegt eine große Gefahr. Ich möchte Menschen ermutigen, sich ihren Lebensthemen mutig zu stellen. In einem meiner Lieder heißt es: „Stell dich den Dingen – aus vergangner Zeit. Ich weiß Du kannst bezwingen – was Dich jetzt traurig treibt. Fasse Mut – glaub was Du siehst. Dein Herz kann erst heilen – wenn Du nicht vor Dir fliehst.“

Was möchtest Du Deinen Konzertbesuchern, Lesern und Hörern mitgeben?

Am Schluss der CD singe ich mit einem Chor: „Nie allein – nie allein. Mag Deine Welt auch untergehn, Dein Tal noch so traurig sein. Du bist nie allein“. Das ist meine eigene Lebenshoffnung, das möchte ich mit anderen Menschen teilen. Mir ist es bei meinen Konzerten besonders wichtig, nah bei den Zuhörern zu sein und mit den Leuten „ins Gespräch“ kommen. Das passiert einerseits durch die Geschichten, andererseits durch die Fragen die ich stelle. Das sind Fragen, die auch andere Menschen bewegen. Ich möchte mit meinem Programm nicht unterhalten, sondern den Menschen etwas mitgeben, was sie wirklich in ihrem Leben hält. Mir ist es wichtig, dass Menschen aus dem Konzert gehen und wissen, ich bin in meinem Alltag gehalten. Aus diesem Grund ist es die schönste Rückmeldung, wenn Leute nach dem Konzert kommen und sagen: „Diese Geschichte die du vorgelesen hast, ist auch meine Geschichte“ oder „Dieses Lied hast Du für mich in meiner Situation gesungen!“ Da merke ich, meine Konzerte sind mehr als nur Unterhaltung ...

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