Dreamteam mit schwarzem Humor

Samuel Koch und seine persönliche Lektorin

Oftmals verbindet uns auch abseits des Arbeitsplatzes etwas ganz Besonderes mit unseren Buchprojekten. Lektorin Karoline Kuhn hat gemeinsam mit Samuel Koch sowohl an seinem ersten als auch an seinem neuen Buch "Rolle vorwärts" gearbeitet. Warum die Arbeit an diesen beiden Projekten nicht alltäglich war, erzählt sie in diesem Beitrag.

Samuel Koch und seine persönliche Lektorin
Foto: Conny Wenk
Samuel und ich haben uns bei der Arbeit an seinem ersten Buch Zwei Leben kennen- und (das kann man guten Gewissens so sagen) lieben gelernt. Es war ein ungewöhnliches Projekt – normalerweise bearbeiten wir Lektoren ein Manuskript am Schreibtisch und stimmen Korrekturen und Änderungsvorschläge zwar mit den Autoren intensiv ab, sind dabei aber eher selten in einem Raum. Da Samuel ja seine Hände nicht benutzen kann, lief es mit ihm aber ganz anders; ich bin zu ihm gefahren, und wir haben via Beamer das Manuskript, an dem ich arbeitete, an die Wand geworfen, sodass Samuel alles direkt mitverfolgen konnte. Vorher hatte er die Geschichte dem Journalisten Christoph Fasel erzählt, der daraus die Vorlage gemacht hat, an der wir nun gemeinsam feilten, veränderten, ergänzten … vorzugsweise spät in der Nacht bzw. frühmorgens, wenn Samuels Handy endlich mal Ruhe gab.


Obwohl Samuel nicht müde wird, mich damit aufzuziehen, dass ich seine Mutter sein könnte (ich bin 17 Jahre älter als er), waren wir sofort auf einer Wellenlänge. Samuel ist ein sehr charmanter, sehr ehrlicher Mensch mit einem blitzschnellen Verstand und einem herrlich rabenschwarzen Humor, was die Arbeit bei allem Stress zu einem Vergnügen machte.

Nachdem das Buch fertig war, hatten wir beide einen kurzen Panikmoment bei dem Gedanken, kein gemeinsames Projekt mehr zu haben. Zwar haben wir dann ohnehin genug Gelegenheiten gefunden, weiterhin in engem Kontakt zu bleiben, aber als irgendwann die Frage nach einem zweiten Buch aufkam, freuten wir uns beide sehr darauf, wieder zusammenzuarbeiten. 

Diesmal übernahm Romanautor Titus Müller die Sisyphusarbeit, die einzelnen Bausteine, Themen und Ereignisse zu einem Fließtext zusammenzuschreiben, den wir anschließend durch den literarischen Fleischwolf drehten. Wir hatten ein gutes halbes Jahr Zeit – statt weniger Wochen wie beim ersten Buch –, aber auch einen viel höheren Anspruch an die inhaltliche Tiefe. Bei Zwei Leben war es ja sehr biografisch darum gegangen zu erzählen, was vor, während und nach dem Unfall passiert ist – diesmal sollten zwar auch skurrile, lustige, erschreckende und spannende Erlebnisse vorkommen, die Samuel seitdem zuhauf gehabt hat, aber auch tiefgehende, philosophische Themen wie das Verhältnis zwischen Freiheit und Abhängigkeit, Sterbehilfe und Suizid, Glück, Menschenwürde, Nützlichkeit und Wert und vieles mehr. Und dieses breite Themenspektrum musste allgemein verständlich bleiben und in sinnvolle Zusammenhänge gestellt werden – es sollte zur Sache gehen und herausfordern, aber auch unterhaltsam sein und die Leser immer mal zum Lachen bringen.

Ein klitzekleines Problem war Samuels Arbeitspensum. Er hat in diesem halben Jahr „nebenbei“ rund 50 Auftritte in sieben verschiedenen Theaterstücken an zwei Standorten (Darmstadt und Bonn) absolviert, inklusive der dazugehörigen Proben, ein Dutzend Konzertlesungen mit Samuel Harfst, etwa ebenso viele eigene Lesungen und noch mal gut 30 Vorträge vor Schülern, Managern oder Medizinern. Ganz davon abgesehen, dass er täglich vier Stunden für Physiotherapie und eigenes Training braucht, um den Status quo zu wahren, und dass alle all täglichen Dinge unendlich lange dauern. In dieses Pensum noch die Zeit für ein Buch hineinzuquetschen war sehr herausfordernd und wie beim letzten Mal kostete es viele durch gemachte Nächte, unzählige Pizzen vom Lieferservice und viel gegenseitige Motivation. Samuel legte wohl einige hundert Kilometer auf seinem Handfahrrad zurück, während ich tippte, und obwohl er täglich mehrmals gestöhnt hat: „Das Buch wird nie fertig!“, haben wir es dann schließlich doch noch geschafft. Und haben uns auch immer noch gern.

Eine typische Anekdote: Samuel lag kürzlich mit einer akut lebensbedrohlichen Blutvergiftung im Krankenhaus. Als er danach zum ersten Mal wieder telefonieren konnte, sagte er zu mir: „Ich hatte ja in den letzten Tagen nicht so viel zu tun und da hab ich mir schon ganz viele Notizen gemacht, falls wir irgendwann noch mal ein Buch schreiben …“

Karoline Kuhn, Lektorin bei adeo

Hier können Sie direkt in Samuels neues Buch Rolle vorwärts reinlesen.