Ein Herzinfarkt kann das Ende sein - oder der Anfang

Zurück ins Leben

Zurück ins Leben
Oliver Gaw erlitt gleich zwei Herzinfarkte – und überlebte. Um die Geschehnisse zu verarbeiten, startete er ein Jahr später einen Blog, der berührte und großes Interesse weckte. Jetzt erscheint seine Geschichte in dem schonungslos offenen und doch auch humorvollen Buch „Neustart“. Erfahren Sie in diesem Interview, woher Oliver Gaw die Kraft nahm, nicht aufzugeben.

Über Ihren Blog haben bereits viele Menschen von Ihnen und Ihrer Geschichte erfahren. Jetzt erscheint sie als Buch. Was ist Ihr Antrieb, andere Menschen daran teilhaben zu lassen?

Nach meinem Herzinfarkt suchte ich Antworten auf das, was mir geschah, wollte verstehen, was in mir drin los war. Ich stieß auf jede Menge medizinischer Texte und wissenschaftlicher Erläuterungen, aber auf nichts, was mir in meiner Situation half. In Foren fand ich ebenfalls nur Fragen von Betroffenen oder deren Angehörigen, aber keine Antworten für mich. Mit meinem Buch „Neustart“ will ich nun für alle Interessierten dem abstrakten Ereignis Herzinfarkt, abseits von Medizin und Wissenschaft, ein Gesicht geben.

Ich schreibe schon immer sehr gerne und so habe ich meine Gefühle, meine Ängste, aber auch meinen Humor zu Papier gebracht. Ich will Betroffenen und Angehörigen damit sagen: „Schau her, so war es bei mir!“ Und ich will Mut machen – denn das Leben geht weiter und es bedarf so wenig, um ein glückliches und gesundes Leben zu führen. Ich schreibe dieses Buch aber auch für die anderen Menschen, die keinen Herzinfarkt hatten. Vielleicht erreiche ich den Einen rechtzeitig, der sonst vielleicht die gleichen Fehler macht wie ich damals.

Sie schreiben, ein Herzinfarkt ändere alles. Warum ist das so?

Ein Herzinfarkt konfrontiert einen erbarmungslos mit der eigenen Vergänglichkeit. Das Herz kann jeden Moment aufhören zu schlagen, der eigene Körper hat „versagt“. Dieser Moment hinterlässt eine Angst in einem, die zerstörerisch sein kann. Der Geist taucht ab und viele Patienten bleiben auch in einer schweren Depression hängen. Diese Angst bewirkt aber auch, dass man nur noch ein Ziel hat: Das will ich nicht noch einmal erleben. Am Leben bleiben – dafür ändert man alles, was man vor dem Herzinfarkt vielleicht anders gemacht hat. Um sein Herz zu schützen, stellt man Dinge in Frage und ändert Prioritäten. Das muss man.



Wie können Angehörige, Freunde und auch Betroffene selbst mit dieser Veränderung umgehen?

Die Familie kann in diesem Moment nur eines machen – da sein. Der Patient wurde schließlich aus dem Leben gerissen, man muss ihn nun behutsam ins Leben zurückbegleiten. In vielen Fällen werden wir sein Verhalten nicht erklären können und als egoistisch deuten – genau das ist aber wichtig für den Menschen, wenn er wieder die Kontrolle und Verantwortung für seinen Körper übernehmen möchte.

Die Veränderungen geschehen nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, der dauert und wahrscheinlich nie endet. Als Angehöriger kann man nur versuchen, diesen Prozess zu begleiten und zu unterstützen und vor allem, Geduld zu haben. Im Idealfall zieht man dann für sich selbst einen Nutzen, wenn man zum Beispiel gemeinsam mit dem Patienten einen gesünderen Lebensstil wählt. Das geschah bei mir nicht von heute auf morgen, sondern es war ein Prozess, der dauert, aber eben alles verändert.

Sie sagen, Sie sind kein neuer Mensch geworden, sondern haben zu dem zurückgefunden, der Sie eigentlich sind. Was hat Ihnen die Kraft gegeben sich wiederzufinden?

Als ich am Straßenrand zusammengekrümmt auf allen Vieren kroch, war es zunächst mein Glaube, der mich rettete. Der Herzinfarkt und alles, was danach geschah, öffnete mir die Augen und letztendlich glaubte ich auch wieder an mich selbst.

Ich hörte wieder auf mein Innerstes. Und da waren wieder all die Dinge, die ich früher schon mochte – der Spaß am Fotografieren und die unglaubliche Freude beim Schreiben. Viele denken, man wird ein neuer Mensch ...  Ich glaube wir finden wieder zu dem zurück, was uns als Mensch ausmacht.

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