Geigen der Hoffnung

Nicht bloß eine Frage der Ehre

Geigenbauer Amnon Weinstein restauriert Instrumente verfolgter Juden. Sein Lebenswerk wurde nun mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt.

Nicht bloß eine Frage der Ehre
Amnon Weinstein und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

„Hinter jeder Ihrer kostbaren Geigen verbirgt sich eine menschliche Seele“, sagt Frank ­Walter Steinmeier, den Blick ins Publikum gerichtet. Vor sich ein in blau­weißes Licht getauchter, voller Saal im Jüdischen Museum in Berlin. Etliche Vertreter aus Kunst, Kultur und Politik sind an diesem Dezemberabend in Berlin zusammengekommen. Doch nicht um sie geht es, sondern um einen kleinen, gebückten alten Mann aus Tel Aviv.

Zwei Monate zuvor lag Amnon Weinstein auf der Intensivstation eines norwegischen Krankenhauses. Eine Lungenentzündung fesselte den bald 78­-Jährigen ans Bett. Die Ehrenmedaille der Deutsch­Israelischen Gesellschaft – benannt nach dem deutsch­amerikanischen Publizisten Ernst Cramer – musste deshalb sein ältester Sohn Avshalom für ihn entgegennehmen. Dass sein Vater nur wenig später wieder auf die Beine und nach Deutschland kommen würde, hätte damals kaum jemand zu hoffen gewagt.

Doch Zuversicht schenkt der umtriebige Geigenbauer täglich. „Ein Mensch, der verfolgt wurde, gepeinigt, zum Schweigen gebracht – durch unvorstellbare Gewalt und Grausamkeit. Mit Ihren ‚Geigen der Hoffnung‘ geben Sie, Amnon, diesen verlorenen Seelen eine Stimme zurück.“ Nicht minder bewegt als der deutsche Außenminister zeigt sich der an diesem Abend ungewöhnlich stille Weinstein selbst. Das Bundesverdienstkreuz aus den Händen des Bundespräsidenten zu erhalten, ist nicht nur eine besondere Ehre. Es ist der Höhepunkt seiner Karriere.

Die deutsche Botschaft in Tel Aviv, wo die Verleihung ursprünglich für Januar 2017 angedacht war, erklärte in einem Brief die Wahl des Preisträgers: Die Violinen erinnerten nicht nur „in eindringlicher Weise an den Zivilisationsbruch und die Opfer der Schoah“. Sie weckten zugleich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.




Immer wieder: Hoffnung.



Immer wieder: Hoffnung. Sie trägt auch den Wunsch Steinmeiers, mit der höchsten Auszeichnung der Bundesrepublik ein Zeichen zu setzen gegen Fremdenhass und Antisemitismus. Denn nur Verständigung und Versöhnung helfen über Gräben hinweg, so Steinmeier, der seit seiner ersten Begegnung mit Weinstein 2015 einer seiner größten Unterstützer ist.

Statt über sich und seine Mühen zu sprechen, erinnert Weinstein an seinen Vater, der die Instrumente vor dem Verfall geschützt hat, und an das Drängen des deutschen Bogenmachermeisters Daniel Schmidt, die darin enthaltenen Erinnerungen nicht länger zu verschweigen.

Wer Weinsteins Geigen hört, hört das Flehen und die Freude ihrer verstorbenen Besitzer. Wie zum Beweis vermittelt Daniel Hopes virtuoses Violinspiel im Saal kurz darauf genau das: Die Kraft der Musik, die für eine kleine Weile die Erinnerung an Vergangenes und Vergangene wieder zum Leben erweckt.

Das ist Amnon Weinsteins Vermächtnis. Obwohl ihn jedes Konzert und jede Ausstellung, ja, jede Begegnung mit der Vergangenheit anstrengt, macht er weiter. „Solange ich lebe, werde ich nach Violinen suchen, die den Holocaust überstanden haben.“ Sohn Avshalom wird das Werk seines Vaters fortsetzen. Denn weder die Geigen noch das Wissen darum dürfen je wieder verstummen.



Christa Roth

Titus Müller und Christa Roth haben Weinsteins Geschichte und die Lebensspur eines Musikers aus Dachau festgehalten. Gegen des Vergessen.

Eine Leseprobe zum Buch hier.