Fotografin Yessica Baur

Aus lebendigen Weinbergschnecken werden filigrane Kunstwerke

Was hinter dem außergewöhnlichen Projekt steckt und welche Botschaft sie mit ihren bunten Bildern vermitteln möchte, erzählt Yessica Baur in unserem Interview.

Aus lebendigen Weinbergschnecken werden filigrane Kunstwerke
Foto: Manuela Marks
Wie sind Sie auf die ungewöhnliche Idee gekommen, Weinbergschnecken zu bemalen?


Für mich persönlich ist eine tägliche Zeit der Besinnung und des Gebets sehr wichtig. So habe ich vor drei Jahren angefangen, jeden Morgen vor der Arbeit in den Wald zu gehen, um den Kopf dafür frei zu bekommen. Ich wohnte an einem der schönsten Plätze in Tübingen, und nach wenigen Minuten Fußweg erreichte ich einen Aussichtspunkt auf die Wurmlinger Kapelle. Von dort aus gelangt man direkt in den Wald, auf Felder, Wiesen, idyllische Wege. Zu dieser Zeit gab es so viele Weinbergschnecken, dass ich aufpassen musste, auf keine zu treten. Eines Tages, wie aus dem Nichts, kam mir der Gedanke: „Wenn die Schnecken doch bunt wären, dann wäre es für mich viel einfacher, sie zu sehen.“ Das war der Beginn der Idee, die Schnecken farbenfroh zu bemalen. Und mit ihnen kleine Bildergeschichten zu inszenieren, die ich ursprünglich als Geschenkbuch für meine beste Freundin gestalten wollte.

Wie lange dauert das Bemalen der einzelnen Tiere?

Da die Muster auf den Schneckenhäusern sehr aufwändig sind und man recht filigran auf einer kleinen Fläche malen muss, benötigte ich für jede Schnecke ungefähr zehn Minuten. Zum Glück hatte ich tatkräftige Unterstützung, um fertig zu werden, bevor der nächste Regen die Muster wieder abwusch: Ich beschloss, meine Freunde zum Schneckenbemalen einzuladen. Wir saßen auf dem Balkon, haben uns eine Pizza bestellt und nebenher mit ungiftigen Finger- und Acrylfarben die Schnecken bemalt, die ich mittlerweile in meinem Garten als Haustiere hielt.

Was möchten Sie mit den Bildergeschichten darstellen?




Das Leben ist bunt, es ist schön, es ist kreativ, es ist alles andere als langweilig!



Es gibt so viele Kleinigkeiten zu entdecken, die wir im Alltag übersehen, die wir gar nicht wahrnehmen, weil wir so oft mit uns und unseren Problemen beschäftigt sind.Jeder einzelne von uns ist ein Wunder, ein einmaliges Kunstwerk, ein Geschöpf Gottes. Aber oft sind wir Menschen zurückhaltend, verkriechen uns in unserem Haus, verstecken uns. Mit den Bildern möchte ich Menschen zum Lachen bringen, zum Schmunzeln, und sie ermutigen, das Leben hier und da mit Humor zu  meistern. Das treibt mich an. Und es erfüllt mich mit Freude, anderen Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.


Nach meinem Fotoprojekt ließ ich die Schnecken wieder frei. Und immer wieder kroch mir eine über den Weg. Auf ein paar habe ich Botschaften wie Bibelverse geschrieben. Sie trugen ihre Botschaft für kurze Zeit in die Welt, und ich bin mir sicher, sie haben den einen oder anderen Spaziergänger zum Lächeln und vielleicht auch zum Nachdenken gebracht.



Das Interview führte Ilka Walter.