Eine abenteurliche Weltreise

Mit 50 Euro um die Welt

Mit 50 Euro ging Christopher Schacht mit 19 Jahren auf Weltreise. In vier Jahren bereiste er 45 Länder und kam reich an Erlebnissen und Begegnungen zurück.

Mit 50 Euro um die Welt
Foto: Micha Bührle
Fangfrische Überraschung auf dem Pazifik

Gekürzter Auszug aus dem Buch „Mit 50 Euro um die Welt“ vom jungen Weltenbummler Christopher Schacht

Am Ostermontag berührten unsere Füße das letzte Mal festen Boden. Denn am Mittag desselben Tages hissten wir die Segel und steuerten ins Blaue. Hinaus auf den Pazifik, den größten und tiefsten Ozean unseres Planeten. Wenn man Leute danach fragt, haben die meisten den Eindruck, dass der Pazifik so in etwa ein Viertel des Erdumfangs bemisst. Tatsächlich umfasst er aber annähernd die Hälfte! So kommt es, dass beispielsweise Japan näher an Deutschland liegt als an Panama! Das heißt anders ausgedrückt: Wer von Deutschland aus nach Japan reist, hat einen kurzen Weg vor sich. Im Vergleich mit dem Weg, der nun vor mir lag, „nur“, um zum Ufer des nächsten Kontinents zu gelangen. Mein Herz schlug höher.

Wenn es noch irgendwo Inseln geben sollte, deren Bewohner vom Rest der Welt so gut wie isoliert leben, dann hier! Es war ein leicht bewölkter, aber dennoch heißer Nachmittag. Wir passierten die Galapagos-Inseln, und wie außerhalb der Hurrikan-Saison in der Äquatornähe zu erwarten war, hatten wir wenig Wind. Das Boot schaukelte langsam hin und her, und die Wellen plätscherten in einem niemals endenden Rhythmus gegen den Bug. Die Inseln, die Charles Darwin zu seiner Evolutionstheorie inspiriert hatten, konnten wir nicht sehen. Dafür erblickten wir seit fast einer Woche zum ersten Mal wieder ein anderes Boot, das sich als kleiner grauer Fleck am Horizont bemerkbar gemacht hatte. Der Afrikaaner und der Belgier hatten gerade ihre Schicht angetreten und waren deswegen dafür zuständig, es im Auge zu behalten. Ich legte mich im Bootsinneren in meine Koje, und um etwas Schlaf nachzuholen, verschloss ich meine Ohren mit Ohrstöpseln und setzte eine Schlafmaske auf. Gerade begann ich einzudösen, da hörte ich über mir die Geräusche des Funkgeräts. Sofort entfernte ich meine Ohrstöpsel, um mit anzuhören, was vor sich ging. „Tenemos pescado para regalar!“, rauschte es auf Spanisch aus dem Funkgerät. „English, please!“, versuchte der irritierte Belgier dem Mann am anderen Ende klarzumachen, dass er ihn nicht verstand. Aber da war ich schon aufgesprungen und nahm meinem erleichterten Segelkameraden das Mikrofon ab.

Wenn die wollten, dann könnten die einfach unser Boot klauen und uns über Bord werfen



„Können Sie das bitte wiederholen?“, bat ich mein Gegenüber in seiner Muttersprache. Wie sich herausstellte, war es ein Fischkutter aus Ecuador, der einen sehr guten Fang gemacht hatte und uns daran teilhaben lassen wollte. Er listete mir eine Reihe von Fischarten zur Auswahl auf, als wäre dies die Bestell-Hotline eines Pizzaservices. Oder eben eines Fischservices. Von den Fischen erkannte ich auf Spanisch aber nur den Thunfisch. „Das klingt super!“, gab ich unsere Lieferung in Auftrag und nahm die Anweisung entgegen, sie an unserem Heck zu erwarten. Rasch hängte ich das Mikrofon ein und eilte zu den anderen auf das Deck. Gute Güte, die sind ja schon da! Nur einen Steinwurf hinter uns hob und senkte sich mit lautem Plätschern der Bug eines bulligen Fischerbootes, das mindestens doppelt so breit war wie das unsere und auch etwa vier Mal höher aus dem Wasser ragte. Der Stahl des Kutters war mit frischer weißer Farbe gestrichen, und dunkler Rauch wirbelte hinter dem Kahn auf, wann immer der Steuermann die Drehzahl in die Höhe jagte, um noch ein wenig näher zu uns aufzuschließen. Der Kahn kam noch dichter an uns heran. „Wenn die wollten, dann könnten die einfach unser Boot klauen und uns über Bord werfen“, gab ich zu bedenken. Zwar gibt es im nördlichen Teil Südamerikas tatsächlich organisierte Piraten der Neuzeit.

Aber die meisten Berichte von gekaperten Schiffen erzählen von armen Fischern, die ihre Gelegenheit genutzt haben. Wir musterten die acht oder neun Latinos, die sich an der Spitze des Kutters drängten. Die meisten von ihnen waren in den Zwanzigern und trugen gewöhnliche Unterhemden und kurze Hosen. „FANGT!“, brüllte uns einer der Fischer über den Lärm des Dieselmotors hinweg zu, und auf eine Entfernung von etwa 15 Metern schleuderte er uns eine Leine zu, die der Afrikaaner und ich mit den Händen sicherten. Immerhin war kein Enterhaken dran!
Nun befestigten die Matrosen an dem Strick zwischen uns einen schweren, schwarzen Müllsack. „EINHOLEN!“, gaben sie uns Anweisung. Und gemeinsam seilten wir den Sack über das Wasser hinweg zu uns herüber. Die Leine schwang wild hin und her. Vor meinem inneren Auge sah ich das Plastik bereits reißen und dessen Inhalt ins Meer stürzen. Aber es hielt. Sobald der Sack unsere Reling erreicht hatte, hievten wir ihn in das Cockpit, machten den Knoten auf und gaben die Leine wieder frei. „Mal sehen, ob sie ihre Küchenabfälle an uns losgeworden sind“, scherzte unser Kapitän.

Aber als wir das Plastik mit einem Messer aufschlitzten, fanden wir darin ein glänzendes Prachtexemplar von einem fangfrischen Thunfisch. Und als Dreingabe der Fischer noch den über einen halben Meter langen und schon fertig ausgenommenen Rumpfteil eines Kurzflossen-Makohais. Noch immer war ich erstaunt, wie der Sack dieses Gewicht hatte tragen können.

Geben mit dem Ziel, etwas zu bekommen, ist Tauschen. Geben ohne Gegenleistung ist Geben.



Von wegen Piraten! In europäischen Preisen aufgewogen hatte dieses Geschenk einen Gesamtwert von mehreren hundert Euro! Entsprechend groß war auch unsere Begeisterung! „Es gibt Sushi, bis es euch zu den Ohren rauskommt!“, kündigte der Kapitän mit einer gespielt grimmigen Miene an und alle lachten. Die Besatzung des Kutters aus Ecuador pfiff und winkte uns Lebewohl, während wir ihnen unseren Dank hinüberbrüllten. Dann drehten sie bei. Über Funk plauschte ich noch eine geraume Weile mit unseren Wohltätern, während die anderen alles Entbehrliche aus unserem Eisfach schmissen, um Platz für die frische Feinkost zu machen. Was für eine großartige Aktion! Die Fischer hatten einen riesigen Umweg und viel Aufwand auf sich genommen, nur um uns eine Freude zu machen!
„Du hast den heutigen Tag noch nicht gelebt, bis du nicht etwas für jemanden getan hast, der es dir niemals zurückzahlen kann“, erinnerte ich mich an ein Zitat des englischen Schriftstellers John Bunyan, der vor fast 400 Jahren mit „Die Pilgereise“ eines der bekanntesten Werke der Weltliteratur verfasst hatte. Geben mit dem Ziel, etwas zu bekommen, ist Tauschen. Geben ohne Gegenleistung ist Geben. Um solche einfachen Wahrheiten zu befolgen, muss man weder belesen noch reich sein. Das hatten die Fischer bewiesen. Man muss einfach anfangen, es zu tun.



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