Mit Gott auf der Couch

Ein neuer Name für Gott

Jens Böttcher im Gespräch über seinen neuen Roman und Gott, der dringend einen neuen Namen braucht.

Ein neuer Name für Gott
Foto: Hanne Moschkowitz
Jens Böttcher ist Musiker, Künstler und Autor der gewitzten wie hintersinnigen Erzählung „Der Tag, an dem Gott nicht mehr Gott heißen wollte“. Darin schreibt er vom Musiker Leon, der mitten in einer Lebenskrise steckt. Ausgerechnet jetzt entschließt sich Gott, mal wieder auf die Erde zu reisen und sich höchst persönlich um den völlig verdutzten Leon zu kümmern. Leon erhält das beste Geschenk seines Lebens - eine Gesprächstherapie mit dem Schöpfer des Universums. Doch auch Gott hat ein Anliegen: Er ist es leid, mit dem sperrigen Namen „Gott“ angesprochen zu werden. Leon soll dabei behilflich sein, dass die Menschen endlich seinen wahren Namen erfahren ... Im Interview verrät er, warum Gott einen anderen Namen wünscht und warum Niesanfälle auch vor ihm nicht Halt machen.

Jens, wie kamst du auf den Gedanken, dass Gott vielleicht nicht mehr Gott heißen möchte?

Ich trage diesen Gedanken schon seit einer ganzen Weile mit mir herum. Seit Jahrtausenden geschieht so viel Schreckliches im „Namen Gottes“, seien es all die barbarischen und entseelten Kriege, die immer noch wüten, oder die Verlockung zur menschlichen Selbstgerechtigkeit, die sich schließlich immer wieder darin suhlt und sich davon ernährt, dem angeblich „richtigen Gott“ zu folgen oder der „richtigen“ Religion anzugehören. Ich dachte mir, dass es Zeit wäre, dem Gott der Liebe eine Stimme zu geben, ihn persönlich (sic) sein Unbehagen über diesen häufigen Namensmissbrauch ausdrücken zu lassen. Als Personifizierung der Liebe ist er hier zu Rrecht empört darüber, dass es überhaupt möglich ist, in seinem Namen Unheil zu stiften. Aber ich wollte das gern auf leichte, amüsante und vor allem liebevolle Weise erzählen – und nicht zusätzlich zum Schmerz der Welt beitragen. Das Buch möchte tröstlich und versöhnlich sein – so wie es diesem sanften Gott, der sich einen anderen Namen wünscht, angemessen ist.

Gab es während des Schreibens Entwicklungen der Handlung oder Reaktionen der Figuren, die dich selbst überrascht haben?

Ja, das geschieht mir eigentlich immer beim Schreiben und ich finde das ganz wundervoll. Viele Details entfalten sich erst auf dem Weg. In diesem Fall war es für mich aber sehr herausfordernd und interessant, dass sich der atmosphärische Tonfall des Buches zunächst erst entwickeln musste. Es gibt eine Reihe von „Outtakes“ vom Arbeitsbeginn, die eigentlich alle ziemlich lustig sind, dann aber doch meiner Schere zum Opfer gefallen sind, weil sie mich selbst und die LeserInnen auf eine falsche Fährte geführt hätten.

Warum war es dir wichtig, dass Gott besondere Eigenheiten hat? Zum Beispiel erfahren wir, dass er gern Champagner und Latte Macchiato trinkt und ein allergisches Niesen hat.

Es hat mir Freude gemacht, Gott auf diese Weise zu vermenschlichen. In der Geschichte kommt er ja in Gestalt eines (zunächst etwas heruntergekommenen) Gentlemans zu meinem Helden Leon. Er ist hier also – trotz seiner allwissenden Liebe und Sanftheit und Freundlichkeit – dem Menschsein mit all seinen Begrenzungen gewissermaßen ausgeliefert, da habe ich ihm doch gern einige Genussmittel zur Verfügung gestellt, die ihm die Reise etwas vergnüglicher gestaltet. (lacht) Und ja, seine Allergie – die macht sich bemerkbar, wenn er zu viel von unserer engen Selbstgerechtigkeit spürt. Einen sehr heftigen Niesanfall bekommt er folgerichtig als Reaktion auf einen fundamentalistischen Drohprediger.

Du bringst deine LeserInnen häufig zum Schmunzeln. Andererseits behandelt die Geschichte durchaus auch schmerzliche Themen und gibt nicht zu jedem Problem eine Lösung. Wie passen diese beiden Seiten zusammen?

Oh, ich finde, das passt prima zusammen. Ich glaube fest daran, dass die Freude und die Trauer Geschwister sind, Humor und Tragik gehören für mich ebenso zusammen. Dieses Buch ist ja wieder ein Versuch, die wirklich großen Fragen anzuleuchten, poetische Formen und Worte zu finden für unsere Sprachlosigkeit, die umso beeindruckender wird, je näher wir der menschlichen Sinnfrage in uns selbst zu kommen scheinen. Ich habe mir gewünscht, dass die großen und ernsten Themen des Buches – Sinnfrage, innere Herkunft, Schuldgefühle, Ängste, Verdrängung etc., möglichst angenehm zum Herzen der LeserInnen reisen dürfen. Wir alle haben ja so viele Facetten, so viele Schatten, so viel Licht, so viele Farben. Deshalb habe ich versucht, die eigentliche Schwere in eine leichte Erzählform zu betten. Ich hoffe, dass die Balance in der Geschichte nun geglückt ist.

Welche Reaktionen müsste das Buch auslösen, damit du sagst „Es hat sich gelohnt"?

Ist sogar schon geschehen. Die ersten Leser-Reaktionen auf das Buch haben mich bereits erreicht und was ich da gehört und gelesen habe, hat mich sehr tief berührt. Ich glaube, ein Kunstwerk „lohnt sich“, wenn es eine Verbindung schafft, wenn es Herzen berührt. In diesem Fall würde ich hinzufügen, dass sich explizit dieses Buch „gelohnt“ hat, wenn sich nach der Lektüre jemand etwas mehr geliebt fühlt, als zuvor. Für mich ist das Sinn und Sahnehäubchen jeder Kunst: aus den eigenen Herzenstiefen zu schöpfen, es zu den anderen Seelen zu bringen, es zugunsten aller zu teilen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass genau das also schon jetzt wieder „im Kleinen“ gelungen ist. Und natürlich hoffe ich, dass möglichst noch viele Menschen von der Geschichte berührt werden, dass sie Ermutigung und Trost bringen kann. Darüber würde ich mich sehr freuen.

Ein Autor hat ja zu jedem seiner Werke eine besondere Beziehung. Wie ist deine Beziehung zu diesem Roman?

Es ist ein Buch über die Liebe. Und es ist dabei auf eine Weise naiv und rein und arglos, die ganz sicher auch etwas Verletzliches hat. Da wäre es ganz sicher angemessen zu sagen, dass ich dieses Werk nun sehr liebe. (lacht) Aber in Wirklichkeit habe ich mir darüber bis zu dieser Sekunde noch keine Gedanken gemacht. Also bleibe ich bei der einzigen Wahrheit, die ich diesbezüglich weiß: Die Essenz dessen, was ich in dieses Buch hineingedichtet habe, ist für mich erlebte und erfahrene Wahrheit. Die Liebe ist der größte Zauber, den diese Welt, den dieses Leben zu bieten hat. Dass ich sie erleben darf, auf ganz neue Weise, inmitten all meiner eigenen kontinuierlichen Dramen und Turbulenzen, ist für mich das größte Geschenk. Und das beschreibt dann wahrscheinlich auch am besten meine Beziehung zu diesem Buch. Es war ein Geschenk, es schreiben zu dürfen, und es ist ein Geschenk, dass es jetzt da ist.


Das Interview führte Renate Hübsch.



Eine Leseprobe zum Buch finden Sie hier.