Aus dem Nichts etwas erschaffen

Wie Lichtgestalten entstehen

Im ehemaligen Mahlraum einer Getreidemühle wird heute gemalt. Künstler Jörgen Habedank gibt Einblicke, wie in seinem Atelier leuchtende Werke entstehen.

Wie Lichtgestalten entstehen
Foto: Nadine Heggen
Das Atelier von Jörgen Habedank befindet sich in Tornesch vor den Toren Hamburgs, im ehemaligen Mahlraum einer Getreidemühle. Anstelle von Mehlstaub breitet sich in den 110 Jahre alten Gemäuern nun eine immense Farbigkeit aus. „Wo früher gemahlen wurde, wird heute gemalt“, so der Künstler mit Blick auf seine Werke. Karoline Kuhn, Programmleiterin des adeo Verlags, war bei ihm zu Besuch.


Überall Farbe! Acrylflaschen auf dem Arbeitstisch, ein Pigmentregal. Eingefärbte Tücher.
Wie wird daraus eine Bildkomposition?

Durch Wachstum, Willen und Überraschung. Durch erste malerische Impulse, durch Antworten darauf, durch Übermalungen, durch das Zusammensetzen von Farbe und Form – nichts anderes bedeutet ja „Kom-Position“ – Zusammensetzung. Tatsächlich ist es auch für mich immer wieder ein Gang ins Unbekannte. Es gibt ja keine festgelegten Bahnen.


Gibt es keinen Plan oder eine Skizze?


Meist nicht. Physisch ist es in gewisser Weise ein Schaffen aus dem Nichts: Da ist das Nichts der weißen Leinwand, das ich verwandle zu einem Etwas, zu einem Mehr, zu einem Bild. So wie alles Schöpferische, Kreative ja im Grunde aus nichts etwas macht. Gleichzeitig speist sich dieser Prozess natürlich auch aus inneren Quellen. Da ist sozusagen „ganz Vieles“, das sich in ein Bild verwandelt, Bild wird, indem es sich ausspricht. Aber eben nicht mit Worten, sondern indem ich diese Innenwelten „ausmale“.


Wie habe ich mir das vorzustellen? Was machen Sie beispielsweise mit den Tüchern, die hier – farbig sortiert – überall herumliegen?

Mit diesen Tüchern habe ich eine ganz spezielle Technik entwickelt. Ich lasse Strukturen entstehen und mache mir den Meister Zufall zum gut gelaunten Gehilfen. Die dünnen Vliestücher sind mit Farbe getränkte Sammlungen. Mit ihnen gehe ich auf Spurensuche und greife beim Malen auf ihre Zufälligkeiten zurück. Wie ein Musikkomponist spiele ich mit Klangelementen. Und wenn alles gut geht, steht am Ende ein auskomponiertes Bild mit einer klaren Aussage da.


Aber wo liegt der Impuls zum Thema, das sich später im Bild zeigt?


Das variiert. Es gibt die Arbeiten, die einem Text, einem Thema oder einem Auftrag folgen. Hier gibt es rechts und links einige Wegweiser: der Text, die Jahreslosung, das übergeordnete Thema – zum Beispiel die Figurationen beim neuen Kalender, die Lichtgestalten. Hier arbeite ich sozusagen auf einem etwas eingezäunten Feld. Die ganz freien Arbeiten können sich fast ins Grenzenlose hinein vortasten. Ich kann frei bestimmen, wohin die Reise geht: Wird es ruhig und streng? Dynamisch oder statisch? Bunt oder monochrom? Wird es laut oder bleibt es eher still? Der einzige „Bestimmer“ bin ich – aber mit einem ganz wichtigen Anspruch: Es muss stimmig werden. Das Bild muss stimmen. Der Klang – ich sehe Bilder als „optische Klänge“ – muss gut abgestimmt sein. Das Bild darf nicht reine Willkür, nicht rein zufällig sein – auch wenn der Zufall im Bildgeschehen helfen durfte. Also wo liegt der Impuls? – In vielen inneren Prozessen. In Erfahrungen. In Ahnungen. In Wünschen. Im Wollen. Im Tun. Im Wissen, dass etwas in Gang kommen muss, wenn etwas werden soll. Durch Bewegung entstehen Prozesse, Lebensregungen – diese versuche ich festzuhalten, in dem ich sie geschehen lasse.


Na, dazu möchte ich nun Bilder sehen. Gibt´s noch mehr?

Oh ja, sehr viele! Fangen wir mal mit dieser Mappe hier an ...


Ein Atelierbesuch von Karoline Kuhn





Weitere Infos zu einem Aterlierbesuch bei Jörgen Habedank finden Sie hier.