Auf Augenhöhe

Wertschätzung bringt Freude

ZDF-Moderator Tim Niedernolte hat Menschen getroffen, die alle etwas gemeinsam haben: Die Wertschätzung, mit der sie anderen Menschen begegnen.

Wertschätzung bringt Freude
Foto: Dirk Schmidt
Erfahren Sie in diesem Auszug, wie Sternekoch Christian Rach dank der „Wunderwaffe Wertschätzung“ eine kaum zu bewältigende Herausforderung in Thailand gemeistert hat.



Starkoch Christian Rach hat mir eine unfassbare Geschichte erzählt, die er als junger Koch in Thailand erlebt hat. Und die bringt perfekt auf den Punkt, warum Wertschätzung eine so unschlagbare Waffe ist. Alles begann mit einer Einladung des thailändischen Industrieverbands. Christian sollte in Bangkok für eine richtig große Veranstaltung mit Teilen der Königsfamilie, den Wirtschaftsbossen und dem thailändischen Militär kochen. Mehr Prominenz geht fast nicht; die Königsfamilie ist heilig, das Militär hat trotz demokratischer Regierung faktisch die Macht.

Dass gerade Christian eingeladen wurde, war kein Zufall. Er sorgte schon damals mit seinem Restaurant Tafelhaus in Hamburg für Furore und war der Erste von sechs deutschen Köchen, die in Bangkok kochen durften. Später erfuhr er, dass diese Reihenfolge etwas täuschte, denn eigentlich war Christian Rach, trotz seines Restauranterfolges, der Geringste der sechs Köche. Die anderen hatten ihn nur vorgeschickt, um zu überprüfen, ob die Sache machbar war oder ob man sich die Finger verbrannte. Wenn der junge Rach dort verheizt wurde, wäre das nicht so schlimm, dachten die anderen Kandidaten.

„Ich wurde zwei Tage vor der Veranstaltung mit hohen Ehren am Flughafen empfangen und zum höchsten Wolkenkratzer von Bangkok kutschiert“, erzählte er. Dort fand die Veranstaltung statt. „In der Küche war ein unfassbares Gewusel. Ich war drei Köpfe größer als die gesamte Crew, die fast nur aus Chinesen bestand. Es war unglaublich heiß da drinnen. Bangkok ist ja sowieso immer schwül und stickig, und in der Küche war es fast nicht auszuhalten. Auch bezeichnend: Nach außen hin hatte der ganze Bau eine millionenschwere Ausstattung, aber in der Küche gab es keine Klimaanlage.

“ Die Mitarbeiter musterten ihn kritisch und er konnte praktisch ihre Gedanken lesen: „Was will die Langnase hier?“ Sie waren sehr distanziert und überhaupt nicht offen für den Fremden aus Deutschland, denn sie erwarteten, dass der ihnen sofort sagte, wo es langging. Neben Christian standen der Direktor und der Gastgeber der exklusiven Veranstaltung.

„Herr Rach, was brauchen Sie jetzt noch?“, fragten sie nervös. Da er nur zwei Tage Zeit hatte, um dieses Riesending zu wuppen, dachten sie, er würde direkt loslegen. Das habe ich ehrlich gesagt auch angenommen, als Christian mir die Geschichte erzählte.

Aber Christian dachte überhaupt nichtdaran, denn er hatte sofort gemerkt, woraufer sich erstmal konzentrieren musste: die Mitarbeiter. Wenn er die nicht auf seiner Seite hatte, war er verloren. Also sagte er: „Alles wunderbar, ich kümmere mich mit den Mädels und Jungs um alles, lassen Sie mich nur machen.“

„Faktisch habe ich den ganzen ersten Tag kein Stück gekocht oder vorbereitet“, fährt Rach fort. „Als Erstes bin ich mit sämtlichen Mitarbeitern der Küche in die Personalkantine gegangen, habe mit ihnen ihr köstliches selbst gemachtes Chinese Food gegessen und bestaunt. Ich habe sie gefragt, ob sie mir erklären können, wie sie das Essen zubereitet haben, und ihnen gesagt, wie großartig es mir schmeckt.“

Nach und nach merkten die Mitarbeiter:



Hoppla, der spielt ja gar nicht den großen Max, sondern der kommt in demütiger Haltung und bringt uns Respekt entgegen.



Und sie waren stolz darauf, dass sie einem Europäer zeigen konnten, was sie draufhaben. Nur die Gastgeber wurden langsam immer nervöser, weil sie dachten, Christian verliere sich in der Kommunikation mit der Crew. Christian selbst aber war total entspannt. Er wusste, dass er es nur schaffen konnte, wenn diese 40 Leute voll auf seiner Seite waren. Als er am nächsten Morgen in die Küche kam, hatte die Crew schon fast alles vorbereitet.

Seine Augen leuchteten, während er davon erzählte: „Wir sind gemeinsam durchs Feuer gegangen. Es war unglaublich! Ich habe die Crew immer mit reingenommen und zwischendurch kosten lassen, um weiterhin zu zeigen: ‚Ihr seid dabei! Ohne euch können wir das Spiel heute nicht gewinnen.‘ Dann war es endlich soweit: Das ganze Event fand in zwei unterschiedlichen Bereichen statt. In einem Raum wurden die Königsfamilie und die oberen Militärs bedient, im anderen Raum saßen die hochdekorierten Wirtschaftsbosse. Als ich aus der Küche schaute, wurde mir erst klar, wie krass das Ständedenken in Thailand ist: Die Königsfamilie und das Militär wurden auf Knien bedient.“

Christian ging in die Knie und demonstrierte die Demutshaltung. „Die Kellner haben die Teller genommen, sind vor der Königsfamilie auf die Knie gegangen und haben die Teller in dieser Haltung serviert, damit sie nicht größer waren als die sitzenden Ehrengäste. Und es gab natürlich auch lauter unvorhergesehene Störungen: Plötzlich ging die Tür auf und vierzig Geheimpolizisten in dunklen Anzügen und schwarzen Sonnenbrillen kamen rein, rechts und links die Colts im Anschlag. Wie in den Agentenfilmen standen die da, ohne eine Miene zu verziehen. Mein Team hat einfach weitergemacht.



Ich wäre so gnadenlos abgesoffen, hätte ich den Tag davor nicht auf Augenhöhe mit ihnen verbracht.




Die Lorbeeren sollte trotzdem Christian ernten, denn er wurde vor die Ehrengäste zitiert. Er hat seine gesamte Crew vor allen Gästen gelobt. Was für eine geile Geschichte, die auf hohem Niveau zeigt, dass Wertschätzung keine Einbahnstraße ist. Mich hat diese Story total umgehauen. Und sie ist auch kein Einzelfall, sondern nur ein Beispiel für eine innere Haltung, die Christian Rach ausmacht: anderen Menschen mit Respekt zu begegnen.

 



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